Folklore and Nationalism. The German Example and its Implications for the Balkans
Folklore and Nationalism. The German Example and its Implications for the Balkans
Author(s): Klaus RothSubject(s): Customs / Folklore
Published by: LIT Verlag
Keywords: ideological utilization of folklore;
Summary/Abstract: Die deutsche Volkskunde der NS-Zeit wird zu Recht als Beispiel für die totale Perversion einer wissenschaftlichen Disziplin angesehen. Denn während das Fach äußerlich gedieh, neue Lehrstühle, Institute, Museen und Archive erhielt, ein Millionenpublikum erreichte und von „nationaler Bedeutung“ war, verlor es gleichzeitig seine Integrität und ordnete seine Ziele und Theorien den Intentionen eines totalitären Regimes unter. Volkskundler waren mitbeteiligt an der Legitimierung von Vertreibung und Ausrottung „artfremder“ Völker ebenso wie an der Beschwichtigung und Kontrolle der deutschen Bevölkerung. Der NS-Staat benutzte die Volkskultur und die Volkskunde in extremer Weise, doch war die Anwendung ethnologisches Wissens keineswegs neu. Die Instrumentalisierung der „Volkskultur“ basiert auf der Dichotomie Elite – Volk sowie auf der Kenntnis der Kultur des „einfachen Volks“. Schon früh hat die Kirche die Volkskultur manipuliert, doch erlangte die genaue Kenntnis der Volkskultur erst für die modernen Nationalstaaten und für die Kolonialmächte besondere Bedeutung, eine Tatsache, der die Volkskunde und die Völkerkunde letztlich ihr Entstehen verdanken. Erst die Aufklärung und die Romantik begründeten jenes "Kulturmanagement", das dann im 20. Jh. von totalitären Systemen perfektioniert wurde. Der NS-Staat (ebenso wie die sozialistischen Regimes) griff dabei massiv in die Alltagskultur ein und entwickelte u.a. neben Ritualen und Festen eine eigene nationale Mythologie als Ersatzreligion. Die Volkskunde übernahm als eine Staatswissenschaft politische Aufgaben, eine Tatsache, die nach dem Ende des NS-Staates fast zur Auflösung des Faches führte. Erst in den 1960er Jahren aber begann das Fach, seine eigene schmerzvolle Vergangenheit bewußt aufzuarbeiten. Der Zusammenbruch des Sozialismus und die Globalisierung haben in Südosteuropa eine kritische Situation geschaffen, in der politische und andere Eliten in einigen Ländern versuchen, die Volkskultur für eigene Ziele zu instrumentalisieren und nationale Mythologien und „heile Vergangenheiten“ zu konstruieren, z.T. mit der Hilfe von Volkskundlern. Die (deutsche) Geschichte ebenso wie der Krieg in Bosnien lehren jedoch, daß regressiver Nationalismus keine Probleme löst, sondern neue schafft. Die südosteuropäische Volkskunde muß sich vom nationalen Paradigma lösen und von einer „Wissenschaft der eigenen Kultur“ zu einer Disziplin werden, die sowohl die eigene als auch die anderen Kulturen untersucht und die ihr Wissen in den Dienst des Zusammenlebens der Völker stellt und damit zur interkulturellen Kommunikation auf der Balkanhalbinsel beiträgt.
Journal: Ethnologia Balkanica
- Issue Year: 1998
- Issue No: 02
- Page Range: 69-79
- Page Count: 11
- Language: English
- Content File-PDF