»Säuberungen« gestern und heute
Purges yesterday and today

Summary/Abstract: Mit dem Versuch, die Situation der europäischen Länder nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Besetzung 1944/45 mit der aktuellen Situation der postkommunistischen Länder zu vergleichen, sollen nicht von neuem Nationalsozialismus und Stalinismus in eins gesetzt werden, sondern die Probleme präzisiert werden, die jedem Übergang von einem autoritären oder totalitären zu einem demokratischen System innewohnen. In diesem Sinne ist die »Säuberung« immer die heikelste, aber auch wichtigste Phase des Übergangs gewesen. Unter »Säuberung« versteht man zum einen die Aburteilung bestimmter Kader des alten Regimes für Verbrechen, von denen sie Kenntnis gehabt haben konnten oder mußten, zum anderen die Entfernung bestimmter verantwortlicher Personen von den Schaltstellen der Politik und der Wirtschaft im Interesse der Stabilisierung der neuen Regierung. Das Nachkriegsfrankreich, das uns zu diesem Vergleich animiert hat, ist insofern ein interessanter Fall, als es von allen Ländern, in denen es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer nennenswerten Säuberung gekommen ist, das Land war, das sich einerseits auf eine starke demokratisch-republikanische Tradition berufen konnte, und in dem andererseits dasjenige war, in dem die Kollaboration mit den Nazis unter Führung des »Vichy-Regimes« am größten war. Aufgrund dieser Konstellation haben die Säuberungen hier die heftigsten Auseinandersetzungen ausgelöst.

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