Müssen Revolutionen scheitern?
Do Revolutions necessarily Fail?
Author(s): Ralf DahrendorfContributor(s): Udo Rennert (Translator)
Subject(s): Politics, Politics and society
Published by: Institut für die Wissenschaften vom Menschen
Keywords: Revolutions ; Failure
Summary/Abstract: Es ist November 1991. Vor zwei Jahren gingen die Stürme der Revolution über die Länder Ost- und Südosteuropas hinweg und fegten die sattsam bekannte Nomenklatura-Herrschaft von der Bildfläche. Die tiefhängenden Wolken der Welt Breschnews, in der stumpfsinnige Unterwerfung und tristes Elend an der Tagesordnung waren, rissen auf und gaben den Blick auf einen offenen Himmel frei. Doch heute, zwei Jahre später, ist nicht etwa alles in Ordnung. Die Entdeckung daß viele der alten Parteifunktionäre noch immer auf ihrem Posten sitzen und es sogar geschafft haben, ihr Mäntelchen sofort nach dem Wind zu hängen, um sich unersetzlich zu machen, gehört sogar noch zu den geringsten Sorgen. Die Führer der Revolution, die sich früher in ihrem Ziel einig waren, sind miteinander in Streit geraten; Solidarität verkehrte sich in Zwist, das Forum in eine Arena. Staatsbürger, die gerade erst das Wahlrecht wiedererrungen haben, halten dessen Ausübung plötzlich für müßig und begeben sich in so geringer Zahl zu den Urnen, daß sie nicht einmal ein bescheidenes Quorum zustandebringen. Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich so sehr, daß das A ncien Regime für viele den Glorienschein der »guten alten Zeit« annimmt. Statt einer civil society, die triumphierend vor uns ersteht, verführen archaische Stammesbindungen selbsternannte Wortführer zu einem bedrohlichen Hervorkehren von Homogenität. Allgemeine Staatsbürgerrechte, die Unterschiede und Heterogenität anerkennen, bleiben dabei auf der Strecke. Fast überall liegt Gewalt in der Luft.
Journal: Transit
- Issue Year: 1992
- Issue No: 03
- Page Range: 008-018
- Page Count: 11
- Language: German