Raumordnung und Moralische Verwirrung
Raumordnung und Moralische Verwirrung
Author(s): Otto KallscheuerSubject(s): Transformation Period (1990 - 2010)
Published by: Institut für die Wissenschaften vom Menschen
Keywords: Ex-Jugoslawien; Bosnien-Konflikt
Summary/Abstract: So absurd die Szenen aus dem Krieg in Bosnien auf unseren Bildschirmen auch erscheinen, sie indizieren kein Chaos. Anders gesagt: Die bosnische Tragödie ist eine moralische, keine logische Absurdität. Der im Kalten Krieg siegreiche Westen beherrscht im weiland blockfreien Ex-Jugoslawien zwar den Luftraum -- aber er kontrolliert nicht die Region selbst. Diese wird vielmehr vom lokalen Kräftegleichgewicht zwischen den beteiligten Parteien beherrscht, deren Truppen und Freischärler Bosnien mit Waffengewalt in ethnische Zonen aufgeteilt haben. Unter den Bedingungen der Neuen Weltordnung verläuft hier zwar eine »Aufruhrzone« (Aaron Wildawski) -- aber diese ist, anders als 1914, nicht unmittelbar mit Hegemonialkonflikten zwischen den europäischen Großmächten verknüpft. In Ex-Jugoslawien selbst haben die meisten westlichen Staaten bestenfalls moralische Interessen, und ihre strategisch-geopolitischen Vorstellungen einer Stabilisierung der Region decken sich keineswegs. Auch aufgrund ihrer räumlichen Nähe zum Kriegsschauplatz erschienen europäische Staaten bislang eher bereit als die USA, einer Friedensregelung zuzustimmen, die mit der ethnischen Aufteilung Bosniens de facto den Aggressor belohnte.
Journal: Transit
- Issue Year: 1993
- Issue No: 07
- Page Range: 003-014
- Page Count: 12
- Language: German