Antijüdische Straßengewalt und die semantische Konstruktion des ‚Anderen‘ im Prag der Ersten Republik
Antijüdische Straßengewalt und die semantische Konstruktion des ‚Anderen‘ im Prag der Ersten Republik
Author(s): Ines KoeltzschSubject(s): Jewish studies
Published by: Židovské Muzeum v Praze
Summary/Abstract: Der jüdische Religionslehrer Bedøich Knöpfelmacher erinnerte sich 1936 in einer Jubiläumsschrift des Landesvereines israelitischer Lehrer in den böhmischen Ländern an ein Gespräch, das er mit einer tschechischen Kollegin im Frühjahr 1933 an einer Prager Schule führte. Seine Kollegin habe dabei festgestellt, dass der Antisemitismus unter dem Einfluss des Machtantritts der Nationalsozialisten in Deutschland auch in der Tschechoslowakei zunähme. Den Grund sah sie zuallererst in der ‚nationalen Unzuverlässigkeit‘ der böhmischen Juden: Sie hätten „dem tschechischen Volk in seiner Not nie geholfen“ und „sich immer dessen Feinden, vor allem den Deutschen zugewandt“, und zwar „von der Schlacht am Weißen Berg bis heute“, so die Lehrerin.1 Diese von Knöpfelmacher geschilderte Alltagsepisode ist aufschlussreich, weil sie von der Präsenz judenfeindlicher Stereotype – wie das der ‚nationalen Unzuverlässigkeit‘ – auch in jenen Teilen der tschechoslowakischen Gesellschaft aufzeigt, die nicht Anhänger einer antisemitischen Bewegung waren.
Journal: Judaica Bohemiae
- Issue Year: XLVI/2011
- Issue No: 1
- Page Range: 73-99
- Page Count: 27
- Language: German
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