Conquering the Feast. The Socialist Transformation of a Religious Feast in a Bulgarian Village
Conquering the Feast. The Socialist Transformation of a Religious Feast in a Bulgarian Village
Author(s): Petar PetrovSubject(s): Customs / Folklore
Published by: LIT Verlag
Keywords: Raduil (village in Bulgaria); Bulgarian Communist Party;
Summary/Abstract: In Ansätzen bereits nach der Etablierung des sozialistischen Herrschaftssystems, verstärkt aber seit Beginn der 1970er Jahre, begann in Bulgarien der Ausbau des sog. „sozialistischen Feiertags- und Ritualsystems“, das der Machtsicherung und der „Schaffung des sozialistischen Menschen“ dienen sollte. Für den Aufbau dieses Systems wurden unterschiedliche Ansätze verwendet, darunter die Umdeutung und Umgestaltung von religiösen Festen. Dabei spielten Volkskundler oftmals eine entscheidende Rolle. Die religiösen Feste sollten transformiert werden, indem alle „negativen“ Festelemente wegfielen, die Assoziationen mit religiösen Vorstellungen hervorriefen und für die neue soziale Ordnung hemmend sein konnten. Den „progressiven“ Elementen, die beibehalten wurden, sollte neuer ästhetischer und ideeller Gehalt gegeben werden. Ganz im Geiste dieser parteipolitischen und „wissenschaftlichen“ Richtlinien gingen die Ortsfunktionäre im Untersuchungsdorf Raduil mit dem wichtigsten lokalen religiösen Fest, Mariä Himmelfahrt, um, indem sie die gemeinsame Tafel, Volksmusik, Volkslieder und -tänze von den anderen Festelementen trennten und als etwas Positives beibehielten, und die religiösen Bräuche selbst als „negative Erscheinungen“ abschafften. An ihrer Stelle wurden neue Festelemente wie die politische Rede eingeführt, die aus den bestehenden politischen Massenfesten entlehnt wurden. Das Fest wurde in „Tag des Genossenschaftlers“ umbenannt und ihm wurde dementspechend und durch Uminterpretation der historischen Gegebenheiten ein neuer Sinn verliehen. Durch die Beibehaltung allgemein üblicher Formen und die Einführung neuer Elemente versuchten die Ortsfunktionäre, alte soziokulturelle Verhaltensmuster für neue Ziele, insbesondere für die ideologische Sozialisation auszunutzen. Der verordnete Wandel des alten Festes verlief jedoch nicht reibungslos. Das Beharren der Dorfbevölkerung auf der Tradition und die Verhäuslichung der rituellen Handlungen führte zu einem Zusammenspiel von religiösen und sozialistischen Festelementen. Das Fest näherte sich daher bald den normativen Vorgaben, bald den Wünschen der Dorfbewohner an und wurde zu einem Mischprodukt in der Mitte zwischen dem Druck „von oben“ und den Wünschen „von unten“.
Journal: Ethnologia Balkanica
- Issue Year: 1998
- Issue No: 02
- Page Range: 127-136
- Page Count: 10
- Language: English
- Content File-PDF