Die Vergangenheit ist ein anderes Land. Politische Mythen im N achkriegseuropa
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den Revolutionen von 1989 wurden die Grenzen Europas und damit die verschiedenen Formen »europäischer« Identitäten von zwei beherrschenden Rücksichten bestimmt: der in Jalta vorgenommenen Aufteilung des Kontinents und dem auf beiden Seiten der Grenze bestehenden Wunsch, die jüngste Vergangenheit zu vergessen und einen neuen Kontinent zu schaffen. Im Westen strebte man zu diesem Zweck eine übernationale Einigung an, die an den Wiederaufbau und die Modernisierung der westeuropäischen Wirtschaft gekoppelt war. Im Osten wurde im Namen des gemeinsamen Interesses an der sozialen Revolution eine analoge, auf Produktivität fixierte Einheit von oben her vorgegeben. Auf beiden Seiten der Grenze hatte man gute Gründe, die Erfahrungen des Krieges und der Besatzungszeit zurückzustellen, und ein zukunftsorientiertes Vokabular der sozialen Harmonie und der materiellen Verbesserungen füllte die Lücke aus, die von älteren, polarisierenden und provinzielleren Ansprüchen und Ressentiments hinterlassen worden war.
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