Author(s): Ion Taloş / Language(s): Romanian
Issue: 10/2010
Zum 75. Geburtstag von Herrn Univ.-Prof. Dr. Ion H. Ciubotaru, dem Gründer des Folklorearchivs für Moldau und Bukowina, widme ich ihm einen Artikel, der sich auf das Thema der Bestattungsriten bezieht, ein Thema, das uns beide mehrfach beschäftigt hat. Um es zu präzisieren handelt es sich um die Totenhochzeit. Dieses Thema wurde bisher von I. Mușlea in Südosteuropa, von P. Caraman in der polnischen und rumänischen Volksliteratur und von A. Fochi bei vielen europäischen Völkern untersucht. Keiner der drei Autoren berücksichtigte aber das Meisterwerk der französischen Literatur des Mittelaters La Chanson de Roland. Dies soll Gegenstand meines Beitrags sein.Eingangs untersuche ich das französiche Epos La Chanson de Roland im Vergleich zur rumänischen Volksballade Mioriţa. Das Rolandslied, wahrscheinlich auch Mioriţa, entstanden zu Beginn des zweiten Jahrtausends; sie hatten aber unterschiedliche Schicksale, d.h. das Rolandslied war vom XI. bis zum XV. Jhs. en vogue, dann verschwand aus dem literarischen Geschmack des Volkes und wurde in etwa 3o Fassungen in verschiedenen Bibliotheken als Manuskript aufbewahrt. Mioriţa wurde erst gegen Mitte des XIX. Jhs. entdeckt und schriftlich fixiert, was aber nicht bedeutet, dass sie zu Beginn des Jahrtausends nicht existierte. Beide Werke gehörten zum Kalenderlied, das epos wurde meistens am 15. August, die Ballade zu Weihnachten vorgetragen. Beide sind von der Forschung so intensiv untersucht worden, dass man glaubte, alle ihre Geheimnisse beleuchtet zu haben. Dennoch entdeckten neuere Forschergenerationen immer wieder unbekannte Aspekte beider Werke. So stellte ich fest, dass mehrere Fassungen des Rolandslieds (Venedig 4, Venedig 7, Chateauroux, Paris, Cambridge, Lyon) ein Motiv enthalten, dass entweder falsch interprätiert oder gar nicht erklärt worden ist. Es handelt sich um folgendes Motiv: nach der militärischen Katastrophe von Roncesvalles verließ Karl der Große Spanien und nahm die Leichen von Roland, Olivier und Turpin mit, damit sie in Vaterlands Erde bestattet werden; angekommen in Blaye, ein Städtchen auf der Gironde, ruft er durch einen Boten Rolands Mutter, Berte, sowie Rolands Verlobte, Aude, nach Blaye, mit der Begründung, dort möchte er Roland und Aude trauen; er teilt ebenfalls mit, dass Roland und Olivier in der Zwischenzeit in die umliegenden Wälder jagen gehen; Aude kommt in Hochzeitskleidern und auf einem weissen Pferd reitend nach Blaye, wo ihr Frauen begegnen, die Kreistänze tanzen, wie bei einer Hochzeit; sie fragt den Kaiser sofort, wo sind ihr Bruder, Olivier, und ihr Verlobte, Roland, der sie heiraten möchte. Entgegen allen Erwartungen erzählt Charlemagne zweimal folgende Geschichte: beide hätten ihn im Monat Mai verlassen, Olivier hätte die Tochter des persischen Emirs und Roland die des Königs über Val Serie/Val Dormant vermählt. Die Bezeichnungen Val Serie und Val Dormant sind aber auf keiner Landkarte des Mittelalters zu finden, d.h. sie sind mythischer Natur und stehen für das Land der Toten (Tal der Schlafenden). Mit anderen Worten, er verheimlichte den Tod von Roland, damit er eine symbolische Hochzeit bekommen kann.Es handelt sich hier also um das Motiv der Totenhochzeit, das wir auch in Miorița treffen, wo der Hirte seinen Tod als die Heirat mit der Todesprinzessin darstellt. Es ist zu hoffen, dass künftige Untersuchungen diese Gemeinsamkeit zwischen dem Rolandslied und der Mioriţa erklären werden kann.
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